"Der Buchapplaus" in NOXIANA Nr. 47
Im September 2019 schrieb Matthias Ulrich über "Vom Leuchten der Schatten" (Auszug):
"Können Schatten leuchten? [...] Ingeborg Santor nimmt die Paradoxität, die es in der Natur vielfältig gibt, nicht so sehr wegen des phantasievollen Titels, sondern um den Schatten Kraft und Energie zuzuschreiben. 'Grauzone', ein Gedicht, das in poetischen Bildern das Alltägliche und Mühsame darstellt [...]: 'Das Stückchen Blau / im Glassturz meines Fenssters / die kleine Pfütze Licht, hingetropft / auf den Zimmerboden – sie sind / nicht hell genug, das nahende / Grau aufzuhalten.' Fast dass Resignation steigt, aber 'Wenn gegen Abend Regen kommt / leise über die Dächer schlurft / – vielleicht, dass unterm Schatten / meiner Hand dann etwas wächst, / von dem ich noch nichts weiß?'
Innehalten, horchen (im alten Sinn des Wortes). abwartem. Geduld haben, das sind Seinsweisen dieser poetischen Haltung, die eine Haltung der Distanz ist, aber nicht zu großer Distanz. Manchmal stellt sie die Worte so gegeneinander, dass der Leser unmittelbar Ingebor Santors Poetik erkennt. Kontrastiv fragend und neugierig zugleich. Wichtig: Sie hat sich das Staunen bewahrt.
Am Ende des Bandes steht eine Art Elegie ('Darauf zu') auf sich selbst und das poetische Geschick der Dichterin. [...] Dann spricht das Gedicht von Flut, vom Dammbrechen, von den im Sturdel treibenden Trümmern des Gestern und dass 'Mut wäre / zu sagen: komm Flut', um am Ende abzuwerfen 'die alte bequeme Haut'. Das ist der Sinn des Schreibens: Ich beginne wieder, ich werfe die altmüde Bequemlichkeit ab, ich gebe nicht auf. [...]